Am 6. September 2023 fand ein Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt, Herrn Martin Uebele, statt. An diesem Gespräch nahm neben Herrn Preuß und mir auch Herr Würdig-Fugmann von Seite der Generalstaatsanwaltschaft teil, der dort für Personalangelegenheiten zuständig ist.
Die im Frühjahr bei den Mitgliedern eingeholten Gesprächsthemen und Fragen wurden in dem Gespräch auf den Fachbereich der Staatsanwaltschaften beschränkt, aber überschnitten sich teilweise auch mit den zuvor bei Justizministerin Katja Meier und Oberlandesgerichtspräsident Dr. Leon Ross gestellten Fragen. Die Themen des Gesprächs waren:
A) Besetzungssituation / Arbeitsbelastung
A.1) Personalnotstand
Gegenwärtig beträgt der Personalbestand in der LG 2.1 bei den Staatsanwaltschaften 97,71 % des Personalbedarfs. Infolge von Abwesenheiten (wie Langzeiterkrankungen, Elternzeiten etc.) beträgt die durchschnittliche Personalverwendung aber nur 85,35 % des Personalbedarfs.
Lt. dem Generalstaatsanwalt findet eine Quotierung der Rechtspflegeranwärter nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung zwischen Ordentlicher Gerichtsbarkeit (OGB) und Staatsanwaltschaften nicht statt, da es sich nach der Binnenverteilung gemäß Pebb§y richtet. Eine Pebb§y-Nacherhebung - auch in den Fällen der Verfahren mit Vermögensabschöpfung - wird es erst nach Einführung und flächendeckender Etablierung der Elektronischen Akte, wahrscheinlich nicht vor dem Jahr 2027 geben.
Hier wurde vom Generalstaatsanwalt verdeutlicht, dass als Übergangslösung jeder Staatsanwaltschaft die Möglichkeit eröffnet wurde, einen Volljuristen mit Rechtspflegeraufgaben in E 9b bis E 10 zunächst befristet für 2 Jahre einzustellen. Es wird sich zeigen, ob sich das auch zum Erfolgsmodell entwickeln wird. Zumindest existieren seitens des Amtsgerichts Chemnitz gute Erfahrungen mit Volljuristen auf den Rechtspflegerstellen. Vielleicht hilft es auch, das Tal der nicht besetzbaren Stellen etwas auszugleichen.
Der VSR macht an dieser Stelle jedoch deutlich, dass es keine dauerhafte Lösung sein kann, dass Volljuristen mit Rechtspflegeraufgaben betraut werden und dies nur als absolute Notlösung für eine befristete Zeit in Betracht gezogen werden kann.
Allerdings wird es bei der Besetzung mit Volljuristen auch ein West-Ost-Gefälle geben, da wahrscheinlich nur wenige Volljuristen für die Arbeit an der Staatsanwaltschaft Görlitz und deren Zweigstelle Bautzen bereit sein werden, sondern eher in den Ballungszentren Chemnitz, Leipzig und Dresden tätig sein wollen.
A.2) artfremde Tätigkeiten
Es wurde vom VSR erfragt, ob es angedacht ist, den Einsatz von Rechtspflegern in artfremden Tätigkeiten, wie Verwaltungstätigkeiten und Tätigkeiten bei der Leitstelle für Informationstechnologie (LIT), einzuschränken.
In den Besprechungen mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG), den Obergerichten und der LIT zur Anwärterverteilung wird deutlich, dass alle Beteiligten sensibel sind, was die aktuelle Personalsituation bei den Rechtspflegern angeht. Wo möglich werde versucht, für Tätigkeiten, die nicht dem Rechtspfleger vorbehalten sind, andere Fachkräfte wie zum Beispiel Verwaltungswirte oder Informatiker zu gewinnen.
Vom Generalstaatsanwalt wurde erklärt, dass beispielsweise eine Verwaltungsfachwirtin ab dem 1. Oktober 2023 in der Generalstaatsanwaltschaft Dresden eingestellt und dort Aufgaben des Verwaltungsbereichs, wie Organisation von Fortbildung, das Gesundheitsmanagement, die Bearbeitung von Entschädigungssachen und dergleichen übernehmen wird. Allerdings würden die Staatsanwaltschaften bei der Einstellung von Verwaltungsfachwirten eher zurückhaltend reagieren, da reine Tätigkeiten der Allgemeinen Verwaltung dort nur in geringerem Umfang anfallen und in anderen Aufgabenbereichen der Verwaltung auch Kenntnisse aus dem Rechtspflegerbereich, so im Ablauf von Ermittlungs- und Vollstreckungsverfahren erforderlich sind.
A.3) Teilzeitbeschäftigung
Seitens des VSR wurde erfragt, wie die Generalstaatsanwaltschaft derzeit zu den Anträgen auf Sabbaticals steht. Einerseits ist die Möglichkeit der Durchführung ein interessantes Kriterium für die Attraktivität eines Arbeitgebers, andererseits ist die derzeitige Besetzungssituation derart angespannt, dass man, wenn man es realistisch betrachtet, diesen Anträgen in der aktuellen Situation nicht zustimmen kann, da die Arbeit auf die verbleibenden Rechtspfleger verlagert wird, die ohnehin bereits an ihre Belastungsgrenzen kommen.
Auch seitens des Generalstaatsanwalts wurde das Sabbatical derzeit eher kritisch gesehen und hängt von dem Konsens in der jeweiligen Behörde ab. Der Generalstaatsanwalt bewarb die Möglichkeit während der Elternzeit, z. B. 10 Stunden je Woche, arbeiten zu können. Dies erleichtert ggf. den Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Leider ist diese Möglichkeit den wenigsten bekannt und es wird leider auch zu wenig beworben. Der Generalstaatsanwalt will dies zukünftig ändern. Die Staatsanwaltschaften wurden bereits aufgefordert, mehr hierfür zu werben, da auch kleine AKA-Zuwächse einer Behörde zugutekommen würden.
B) Personalentwicklungskonzept (PEK) der Staatsanwaltschaften
B.1) Eingruppierung der Geschäftsstellen in die Entgeltgruppe E 9a – Einhaltung des Abstandsgebots zur Einstiegsbesoldung für Rechtspfleger in A 9
Die Problematik mit dem Abstand in der Besoldung zu den Rechtspflegern wird vom Generalstaatsanwalt ebenfalls gesehen. Eine Anpassung der Besoldung in ein Einstiegsamt mit A 10 wird sicherlich politisch nicht leicht durchsetzbar sein. Seitens des Generalstaatsanwalt wurde empfohlen, mit dem Vorsitzenden des Sächsischen Richtervereins, Herrn Schade, in Kontakt zu treten und sich Rückhalt für die Forderung zur Anhebung der Besoldung in A 10 als Einstiegsamt zu holen, da auch Kontakt mit anderen Interessenvertretungen hilfreich sein können.
Der Generalstaatsanwalt erklärte hierzu, dass es keine Absprachen mit anderen Bundesländern gäbe bzw. solche unbekannt wären.
B.2) Fortbildung
Hier wurde angesprochen, dass einige Rechtspfleger (z. B. der Staatsanwaltschaft Görlitz) aufgrund ihrer Belastungssituation keine Zeit hätten, an den Fortbildungskursen teilzunehmen. Fortbildungen werden jedoch als essentiell betrachtet. Die Behörden sollten dazu angehalten werden, Fortbildungen zu unterstützen und zu fördern.
B.3) frühzeitige Altersabgänge
Es wurde angesprochen, dass sich die Tendenz abzeichne, dass überdurchschnittlich viele Rechtspfleger sich überlegen, eher in den Ruhestand zu treten. Dies verschärfe die aktuelle Besetzungssituation noch mehr. Es wurde angefragt, ob es Anreize gibt, damit die Rechtspfleger im Bereich Ü 60 tatsächlich bis zum regulären Pensionseintritt im Dienst verbleiben. Dies ist derzeit nicht der Fall.
Seitens des VSR wurde angeregt, in diesem Bereich die Arbeitsbelastung zu verringern, ähnlich einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, da die Belastung der Hauptgrund sei, dass die Kollegen eher in den Ruhestand treten wollen. Der Generalstaatsanwalt gab an, dass es diesbezüglich derzeit keine Überlegungen gäbe.
Vom Generalstaatsanwalt wurde darauf hingewiesen, dass es künftig (ab 2025) möglich sein soll, auch nach der regulären Altersgrenze noch weiterarbeiten zu können und in solchen Fällen hierfür ein nicht ruhegehaltsfähiger Gehaltszuschlag von 20 %gewährt werden soll.
B.4) Beurteilungen und Beförderungen
Hier wurde vom VSR angesprochen, dass die Beurteilungsrunde 2022 verspätet abgeschlossen wurde und Beurteilungen erst zum Jahresende 2022 oder gar erst Anfang/Mitte 2023 ergingen, wodurch sich Beförderungen lange hinauszögerten, gar zurückgestellt wurden.
Vom Generalstaatsanwalt wurde erklärt, dass die Verzögerung der Beurteilungen und Beförderungen der Unterbesetzung in der Personalverwaltung der Generalstaatsanwaltschaft geschuldet sei, da sich dadurch Aufgaben auf andere Kollegen verlagert und verzögert hätten. Zudem haben die Zuarbeiten von anderen Behörden, zu denen eine Teilabordnung erfolgt sei, zu langen Verzögerungen geführt. Man habe regelmäßig aufgefordert und gemahnt und damit alle Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung ausgeschöpft.
Es wurde vom VSR auch angesprochen, dass in den Beförderungsvoraussetzungen des PEKs die höher gewichtete Verwaltungstätigkeit entfallen sollte und man, ähnlich wie im PEK der OGB, eher auf die Verwendungsbreite der Rechtspfleger den Fokus legen sollte. Die originäre Rechtspflegertätigkeit im Vollstreckungsbereich mit Haftsachen und in der Vermögensabschöpfung fordere bereits eine hohe Kenntnis der Vorgehensweise und Abläufe sowie Verantwortung. Es müsse eine (zusätzliche) Möglichkeit geschaffen werden, auch ohne Verwaltungstätigkeit in die Beförderungsstufe A 12 zu kommen, so z. B. durch einen Wechsel in die OGB oder Fachgerichtsbarkeit, an die LIT oder als Dozent an der Fachhochschule. Zumindest müsste das Spektrum an Möglichkeiten erweitert werden, da nicht jeder für Verwaltungsaufgaben geeignet oder daran interessiert ist und dies auch nicht die primäre Aufgabe von Rechtspflegern darstellt.
Seitens des Generalstaatsanwalts wurde eingeräumt, dass das PEK hinsichtlich der Gewichtung von Verwaltungsaufgaben noch mal eingehend zu prüfen sein wird. Der Grundgedanke der Verwendungsbreite sei überzeugend.
C) Nachwuchsgewinnung
Hier wurde angesprochen, dass die praktische Ausbildung der Anwärter aktuell darunter leide, dass hierfür zu wenig Personal und Zeit vorhanden ist.
Vom Generalstaatsanwalt wurde dargelegt, dass die Freistellung einzelner Mitarbeiter für Zwecke der Ausbildung auf Grund der Masse an Anwärtern, die gleichzeitig innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums ihre Praktikumsstationen in einer Abteilung absolvieren müssen, für die Staatsanwaltschaften nicht umsetzbar ist. Auf Grund der momentan großen Menge an Anwärtern, der eine überschaubare Gruppe von einigermaßen erfahrenen Rechtspflegern gegenübersteht, müsse grundsätzlich von jedem Rechtspfleger verlangt werden, dass er auch Anwärter ausbildet und anleitet.
D) Amtsanwälte
Vom Generalstaatsanwalt wird diese Ausbildung als Erfolgsmodell eingeschätzt. Die Kollegen, die den Aufstieg vorgenommen haben, haben sich allesamt bewährt. Es sei dennoch schwierig, geeignete Bewerber zu finden, obwohl dieses Amt für Rechtspfleger sehr interessant sei.
Für den Vorstand
Tanja Romstedt
Vorsitzende