Der Verband österreichischer Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger unterhält seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu unserem Verband. Der Einladung von Walter Szöky zum Rechtspfleger:innen-Tag nach Wien bin ich daher nur zu gern nachgekommen.
Die Veranstaltung fand im Wiener Justizpalast statt, der diesen Namen absolut mit Recht trägt. Dieses Gebäude ist unglaublich beeindruckend und von seltener Schönheit. Aber nicht nur das Gebäude konnte sich sehen lassen, sondern auch die Gästeliste. Neben der Justizministerin Dr. Alma Zadić, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Katharina Lehmayer und dem Präsidenten der Europäischen Union der Rechtspfleger, Dipl.-Rpfl. Wolfgang Lämmer, die alle ein Grußwort an die anwesenden Gäste richteten, waren alle Behördenleiter der großen Gerichte des Landes anwesend. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen als deutsche Vertreter Prof. Dr. Heiko Gojowczyk von der Hochschule Meißen und Dipl.-Rpfl. Mario Blödtner, unser Vorsitzender des Bundes Deutscher Rechtspfleger, teil. Aber auch im Publikum fanden sich bekannte Gesichter wieder. So konnte ich einige Kolleginnen und Kollegen aus Chemnitz erspähen.
Die Podiumsdiskussion, mit den weiteren Teilnehmern Dr. Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des Handelsgerichtes Wien, Mag. Oliver Kleiß, Leitender Staatsanwalt im Bundesministerium der Justiz, ADir. HR Gerhard Scheucher, Vorsitzender des Zentralausschusses im Bundesministerium der Justiz und Walter Szöky, stand unter dem Motto: "Diplomrechtspfleger:in, quo vadis?" Anders als in Deutschland durchlaufen unsere Kolleginnen und Kollegen in Österreich kein Fachhochschulstudium sondern eine 5-jährige Ausbildung, die dort auch sehr "kanzleilastig" (Geschäftsstelle) ist. Zudem müssen sich die angehenden Rechtspfleger im Laufe des Studiums entscheiden, in welche Abteilung sie wollen, um dann für diesen Bereich gesondert ausgebildet zu werden. Die Überlegung in Österreich ist nun, diese Ausbildung als Studium an die Fachhochschule zu ziehen und den Rechtspfleger zum "Allrounder" auszubilden. Da wir dies schon viele Jahre so praktizieren, war die Erfahrung der deutschen Vertreter in dieser Runde gefragt. Diese sprachen sich einhellig für das hiesige System aus, was mit den österreichischen Kollegen aber durchaus kontrovers diskutiert wurde. Weiteres Thema war das Aufgabenfeld. So wurde gefragt, ob ein Rechtspfleger auch im Bereich Strafrecht denkbar wäre. Die Strafvollstreckung, die ganz selbstverständlich hier in den Händen der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger liegt, wird dort von Volljuristen vollzogen. Aber auch Zwangsversteigerungsverfahren liegen dort in den Händen der Richter. Überraschend war für mich auch, dass unsere Kollegen und Kolleginnen dort in einigen Teilen noch der Weisungsbefugnis eines Richters unterliegen. Zudem sind die Verfahren vom Wert nach oben gedeckelt.
Festzustellen bleibt, dass der Rechtspfleger in Österreich zwar in der Verfassung steht, was noch unser erklärtes Ziel für Deutschland ist, aber bei Weitem nicht so umfangreich ausgebildet ist und auch inhaltlich deutlich weniger Aufgaben übertragen bekommen hat. Wir können damit zu Recht behaupten, dass wir in Europa die weitreichendsten und auch unabhängigen Entscheidungskompetenzen haben. Darauf dürfen wir auch ruhig mal stolz sein!
Zum Abschluss haben wir den Kolleginnen und Kollegen noch unsere Robe präsentiert, die wir mittlerweile in Zwangsversteigerungs- und Insolvenzsachen tragen dürfen. Diese wurde mit großem Interesse in Augenschein genommen und von Walter Szöky mit einem breiten Lächeln probegetragen.
Zu unserem Rechtspflegertag, der am 10. Oktober 2022 (save the date!!!) stattfinden wird, werden wir die Kollegen und Kolleginnen aus Österreich einladen, um Ihnen auch einen Einblick in unsere Arbeitsweisen ermöglichen zu können.
Tanja Romstedt
Vorsitzende