Bericht zum Gespräch mit dem neuen OLG-Präsidenten Herrn Dr. Ross am 01.06.2021 in Dresden

01. Juni 2021

Am 1. Juni 2021 wurde es unserem Verband ermöglicht, ein Gespräch bei unserem neuen Oberlandesgerichtspräsidenten Herrn Dr. Ross wahrzunehmen und die uns im Vorfeld von euch übersandten Fragen gemeinsam zu erläutern.

Seitens des Oberlandesgerichts Dresden (OLG) waren neben Herrn Dr. Ross auch Frau Bünnig und Frau Hennersdorf vertreten, mich begleitete unser Geschäftsführer Chris Zenner.

Herr Dr. Ross stellte zunächst fest, dass vor 10 Jahren noch Stellenabbauverpflichtungen von ca. 1.100 Stellen bestanden haben. Es gab lediglich 30 Proberichter, es wurden ca. 20 Anwärter im (damals noch sogenannten) gehobenen Dienst ausgebildet und die IT verfügte über ein Budget von ca. 7 Mio. Euro. In den vergangenen Jahren konnten diese Verpflichtungen zum Stellenabbau immer weiter reduziert werden – im Doppelhaushalt 2021/2022 konnten nun auch noch die letzten 468 Abbauverpflichtungen gänzlich „wegverhandelt“ werden. Es werden derzeit 130 Proberichter beschäftigt, die Zahl der Rechtspflegeranwärter, die zum Studium zugelassen werden, wurde auf über 40 hochgesetzt und die IT wurde mit einem Budget von ca. 30 Mio Euro ausgestattet. Die Justiz ist aus Sicht des OLGs damit derzeit grundsätzlich gut aufgestellt.

Als große Herausforderung wird der Generationenwechsel gesehen, der neben den Richterinnen und Richtern auch uns Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in den nächsten Jahren begleiten wird. Dieser kann nur erfolgreich bewältigt werden, wenn es auch zukünftig gelingt, geeignete und engagierte junge Menschen für ein Studium der Rechtspflege zu gewinnen. Die Bewerberzahlen stagnieren hierbei auf einem Niveau von ca. 650. Die Kampagne zur Gewinnung von Nachwuchskräften, die seit vielen Monaten im Dornröschenschlaf beim Ministerium liegt, soll hierbei nach Kräften gefördert werden. Auch seitens des Verbands werden wir diesbezüglich erneut an die Justizministerin herantreten. Im Rennen um die besten Bewerber muss der Freistaat Sachsen an dieser Stelle aus unserer Sicht deutlich und vor allem zeitnah nachlegen.

Durch den Renteneintritt vieler erfahrener Kolleginnen und Kollegen droht ein herber Verlust an Fachwissen. Um diesem vorzubeugen wurde unsererseits bereits angeregt, landesweite Erfahrungsaustausche für die jeweiligen Abteilungen zu organisieren, um nach Abteilungswechseln bzw. neuen Kolleginnen und Kollegen möglichst viele Erfahrungswerte zu bewahren.

Als weitere große Herausforderungen werden das Vorantreiben der Digitalisierung, das gemeinsame Fachverfahren der Länder („gefa“) und die Einrichtung des Datenbankgrundbuchs gesehen, wobei bei den letzten beiden Punkten sich noch kein konkretes Datum in der Umsetzung abzeichnet.

Ein weiteres großes Thema war Heimarbeit. Durch die Pandemie hat hier die Entwicklung deutlich an Dynamik gewonnen, was durchaus einer der wenigen, erfreulichen Aspekte der letzten Monate darstellt. Viele haben erstmals Erfahrungen diesbezüglich sammeln können, die Bereitstellung an CAG-Zugängen hat bis dato unvorstellbare Ausmaße erreicht und es konnten an den Behörden viele Daten erhoben sowie Erfahrungen gesammelt werden. Das OLG erkennt an, dass die Heimarbeit zukünftig eine größere Rolle einnehmen wird. Dies steigert nicht nur die Attraktivität des Berufs für die Bewerber und Bewerberinnen um ein Rechtspflegestudium, sondern ermöglicht es auch den Kollegen und Kolleginnen, ihr Arbeiten flexibler zu gestalten und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Herr Dr. Ross berichtete, dass hier ein erster Entwurf für eine Rahmendienstvereinbarung vorgelegt wurde. Dieser wurde von einer Arbeitsgruppe erstellt, die beim SMJusDEG angesiedelt ist. Hierbei muss ausgelotet werden, was möglich ist und wo Heimarbeit ihre Grenzen findet. Auch sog. „Satellitenarbeitsplätze“ sollen in die Überlegung einbezogen werden, also das Arbeiten an einem wohnortnäheren Gericht für ein anderes Gericht. Das OLG gibt zu bedenken, dass beim Thema Heimarbeit auch die Aspekte der arbeitsschutzrechtlichen Fragen sowie der IT-Ausstattung und -Sicherheit nicht vernachlässigt werden dürfen. Die zahlreichen Rückmeldungen unserer Mitglieder zeigt die Wichtigkeit, die dieses Thema mittlerweile eingenommen hat. Diese wurde dem OLG nachdrücklich für die weiteren Verhandlungen dargestellt.

In diesem Zusammenhang wurde unsererseits bemängelt, dass die IT-Ausstattung mit mobilen Endgeräten deutlich hinter der der Richterinnen und Richter zurückbleibt. Dies kann nicht nachvollzogen werden, da wir ebenso wie die Richter und Richterinnen unabhängige Entscheider und Entscheiderinnen sind sowie auch entsprechend behandelt werden wollen. Keine Wertschätzungskampagne kann wettmachen, was mit solchen Ungleichbehandlungen in den Rechtspflegern und Rechtspflegerinnen ausgelöst wird. Zumindest beim digitalen Diktieren hat man erkannt, dass dies auch den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern zur Verfügung gestellt werden soll.

Einen weiteren großen Themenkomplex bildeten Beförderung und das Personalentwicklungskonzept. Es wurde unsererseits nochmals thematisiert, dass einige Beurteilungen nicht fristgemäß an das OLG vorgelegt werden und dies für viel Unmut sorgt. Herr Dr. Ross betonte, dass dem OLG diese Problematik durchaus bewusst ist, dass man enge Fristen setzt, nachfragt und auch mal zum Hörer greift; weitere Sanktionsmöglichkeiten bestehen hier jedoch nicht.

Zur Verfügung stehende Beförderungsstellen sollen aus Sicht des OLG grundsätzlich ausgeschöpft werden. Dem OLG ist nicht daran gelegen, diese grundlos freizuhalten, schon gar nicht aus finanziellen Gesichtspunkten, da die ungenutzten Mittel wieder in den Haushalt zurückfließen würden und das OLG damit keinerlei Nutzen ziehen würde. Einige Beförderungsstellen werden jedoch bewusst freigehalten, um jüngeren Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit auf eine Beförderung zu wahren. Würde man sämtliche Stellen ausschöpfen, könnten Beförderungen auf Jahre gänzlich unmöglich werden. Im Zuge der bevorstehenden Altersabgänge werden Beförderungsstellen frei werden und damit auch wieder mehr Möglichkeiten eröffnet.

Als großes Projekt wurde angekündigt, dass man beabsichtigt die Beförderungskriterien und das Personalentwicklungskonzept zusammenzuführen. Hierbei soll die gesamte Bandbreite der beruflichen Verwendungen von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern abgebildet werden können. Dem Verband wurde hier die Möglichkeit eröffnet, aktiv an dieser Ausgestaltung mitzuwirken. Es ist also auch an euch, uns zu melden, welche Punkte eurer Meinung nach unbedingt in diesem Konzept aufgeführt werden müssen.

Dieses Jahr werden, sofern alle bestehen, 23 neue Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen ihren Dienst antreten. Erfreulich dabei ist, dass dieses Mal vorgesehen ist, 20 von ihnen in die OGB zu geben, nachdem in den letzten Jahren nur wenige Absolventen ihren Weg an die Gerichte fanden. Hierbei dürfte sich vor allem die Landesjustizkasse über einige neue Kolleginnen und Kollegen freuen, die aktuell mit am schlechtesten in Sachsen besetzt sind. Zum Studium werden in diesem Jahr 43 Anwärter und Anwärterinnen zugelassen, davon 2 Aufstiegsbeamte. Es bleibt zu hoffen, dass in diesem Jahrgang die Quote der Durchfaller wieder sinkt. Mit Blick auf unsere Altersstruktur werden wir jede neue Kollegin und jeden neuen Kollegen dringend brauchen.

Das OLG musste feststellen, dass viele Stellen, insbesondere in der Verwaltung, mehrfach ausgeschrieben werden müssen und es sehr schwer geworden ist, geeignete Bewerber zu finden. Auch die Weiterqualifizierung zum Amtsanwalt hat wesentlich weniger Resonanz gefunden als erwartet. Nicht ohne Grund hat auch das Justizministerium im letzten Jahr 2 Abgänger direkt nach dem Studium in ihrem Geschäftsbereich untergebracht. Unserseits wurde angeführt, dass man diesem Trend entgegenwirken könnte, indem man mehr Heimarbeitsmodelle schafft und es auch Kolleginnen und Kollegen mit familiären Verpflichtungen und weiten Anfahrtswegen ermöglicht, diese Stellen in Erwägung zu ziehen. Nicht jeder geeignete Kandidat oder Kandidatin kann täglich nach Dresden pendeln.

Auf die Durchlässigkeit der Geschäftsbereiche, also einem Wechsel zwischen OGB, Staatsanwaltschaften und Fachgerichtsbarkeit, hat das OLG deutlich gemacht, dass sie diesen Gesuchen sehr offen gegenüberstehen und auch gern bereit sind, individuelle Lösungen für den Einzelnen zu suchen. Der Einsatz in einem anderen Geschäftsbereich kann allerdings nicht zwingend zusammen mit einem Standortwunsch erfüllt werden. Solltet ihr mit dem Gedanken spielen, den Geschäftsbereich zu wechseln, könnt ihr euch direkt an das OLG wenden. Einen Tauschpartner braucht ihr nicht zwingend. Gegebenenfalls können Wechsel im Rahmen der Zuweisung der Absolventen erfolgen.

Das Thema Beförderungswürdigkeit von Bereichsrechtspflegerinnen und Bereichsrechtspflegern ohne Abschluss aller Lehrgänge hatten wir bereits bei unserem letzten Treffen mit Herrn Häfner angesprochen. Dieser hatte das Thema für sich abgeschlossen und an den neuen OLG-Präsidenten verwiesen. Herr Dr. Ross brachte zum Ausdruck, dass dieses Thema über viele Jahre in der Diskussion war, sich die Direktoren der Gerichte jedoch klar dagegen ausgesprochen haben, an den bestehenden Kriterien etwas zu ändern. Auch der Hauptpersonalrat stehe diesen Änderungswünschen klar ablehnend gegenüber. Das Thema ist für das OLG damit final diskutiert und wird nicht erneut zur Disposition gestellt.

Herr Dr. Ross hat sich 2,5 Stunden für all unsere Fragen Zeit genommen und diese offen und direkt angesprochen. Dieses Zeichen der Wertschätzung tragen wir gern an unsere Mitglieder und Mitgliederinnen weiter. In vielen Bereichen, so z.B. bei der Nachwuchsgewinnung, haben wir unsere aktive Unterstützung angeboten, die seitens des OLGs gern angenommen wird. Auch haben wir die Möglichkeit uns aktiv in das Beförderungs- und Personalentwicklungskonzept einzubringen. Diesbezüglich werden zeitnah Gespräche zwischen uns und dem Hauptpersonalrat stattfinden.

Wir freuen uns auf eine weitere, konstruktive Zusammenarbeit mit dem OLG, wünschen Herrn Dr. Ross alles Gute für seine Aufgaben als OLG-Präsident und hoffentlich auch zukünftig auf ein offenes Ohr für unsere Anliegen.

 

Tanja Grundmann