Bericht zum Tag der Rechtspflege an der Hochschule Meißen (FH) und Fortbildungszentrum am 27.09.2017

27. September 2017

Der diesjährige Tag der Rechtspflege am 27.09.2017 fand unter dem Motto „Neues zum Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft“. Fachbereichsleiter Dr. Heiko Gojowczyk begrüßte dabei die anwesenden Gäste sowie die beiden ersten Studenten des Freistaates Sachsen, die die Amtsanwaltslaufbahn begonnen haben.

Der erste Fachvortrag stand unter dem Thema „Die Amtsanwaltslaufbahn – ein großes FÜR und ein kleines WIDER nach 20 Jahren Praxiserfahrung“. Dabei stellte Frau Oberamtsanwältin Annika Stübe aus Berlin Ihre Berufserfahrung in der Amtsanwaltschaft Berlin vor. Frau Stübe begann Mitte der 90er Jahre die Ausbildung zur Amtsanwältin und ist in diesem Beruf seit 20 Jahren tätig. Sie ist derzeit unter anderem als Dozentin in Berlin tätig und sie engagiert sich im Deutschen Amtsanwaltsverein.

Ihren Vortag begann sie mit den Worten „Ich liebe diesen Beruf, ich könnte stundenlang darüber erzählen“. Sie hielt sich jedoch zurück und stellte vorerst die gesetzlichen Grundlagen vor.

Nach § 142 Abs. 1GVG wird das Amt der Staatsanwaltschaft „bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte“ ausgeübt. Nach § 142 Abs. 2 GVG erstreckt sich die Zuständigkeit der Amtsanwälte „nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören.“
Für die Amtsanwaltslaufbahn können sich Rechtspfleger bewerben, die sich mind. 3 Jahre im Amt bewährt haben, § 2 SächsAPOAA.

Weiterhin stellte Frau Stübe die Ausbildung vor. Das Studium dauert 15 Monate, davon 4 Monate Studium I, 9 Monate Fachpraktikum und 2 Monate Studium II. Während des Fachpraktikums findet ein begleitender Unterricht statt. Das Studium endet mit einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung. Nach erfolgreichem Bestehen der Laufbahnprüfung erfolgt die Probezeit. Es sei auch auf das Trennungsgeld und die Familienheimreisen hingewiesen. Vielleicht ist dies ja für den einen oder anderen noch ein lohnenswerter Anreiz für die Amtsanwaltsausbildung.

Die Aufgabenbereiche, die einen Amtsanwalt erwarten, ergeben sich aus Nr. 24 VwVOrgStA. Unter anderem kann ein Amtsanwalt auch Fälle der Körperverletzung behandeln. Dies sei in kein einem anderen Bundesland so. Die Aufgabenfelder sind sehr vielseitig, wobei derzeit noch die Zuständigkeit bei Jugendlichen und Heranwachsenden ausgenommen ist. Um bei den Worten von Frau Stübe zu bleiben „Hut ab, dass Ihr Ministerium Sie das alles bearbeiten lassen will“.

Zuletzt berichtete Frau Stübe aus ihrer beruflichen Praxis und stellte dabei ihre Vor- und Nachteile vor.

Als Positiv nannte sie insbesondere, dass die Tätigkeit sehr abwechslungsreich sei und mit einer Besoldung mit A 12 und A 13 (also Besoldungsgruppen, die ein „normaler“ Rechtspfleger wohl nur im Traum kennt) natürlich auch finanziell beachtlich ist. Viele behaupten zwar, dass man immer wieder die gleichen Delikte bearbeitet und dies doch langweilig sei. Frau Stübe kann diese Auffassung jedoch nicht teilen. Zwar sind die Delikte immer gleich, allerdings ist jeder Einzelfall besonders und spannend. Natürlich trägt der Amtsanwalt auch eine große Verantwortung.

Als Contra nennt sie die hohe Arbeitsbelastung, die Bereitschaftsdienste, insbesondere die nächtliche Rufbereitschaft (dies ist in Sachsen bisher für Amtsanwälte noch nicht abschließend geregelt) und dass es keine Krankheits- oder Urlaubsvertretung kennt. Für jemanden, der mit vielen Akten nicht gut umgehen kann, ist der Beruf des Amtsanwalts demnach nichts.

Als zweiten Referenten des Vormittages begrüßte Herr Gojowczyk Dipl.-Rpfl. (FH) Peter Savini mit seinem Vortrag zum Thema „Die Aufgaben des Rechtspflegers an der Staatsanwaltschaft – noch immer unterschätzt?!“. Herr Savini ist seit 2014 Dozent an der Fachhochschule des öffentlichen Dienstes in Bayern und unterrichtet dort u.a. das Recht der Vermögensabschöpfung. Er hat auch ein Handbuch zur Vermögensabschöpfung verfasst.

Herr Savini beantwortete gleich die Frage seines Vortrages mit einem deutlichen JA! Viele kennen die vielfältigen Aufgaben des Rechtspflegers an der Staatsanwaltschaft nicht oder haben eine veraltete Vorstellung. Er moniert, dass die Vermögensabschöpfung in den Ausbildungsinhalten kaum eine Rolle spielt und auch die Dienstpostenbewertung fehlt.

Der Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft hat viele komplexe und spannende Aufgaben. Mit dem Wegfall der Begrenzungsverordnung im Jahr 2004 kann der Rechtspfleger über Strafaufschübe entscheiden, Entscheidungen nach § 35 BtMG treffen oder auch von der weiteren Vollstreckung nach § 456 a StPO absehen, wenn ein straffälliger Ausländer abgeschoben werden soll.

Seit dem 01.07.2017 sind die Aufgaben des Rechtspflegers noch vielfältiger und spannender geworden. Mit dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung, die eine Vereinfachung und eine Erweiterung der Vermögensabschöpfung darstellt. Es wurde die Entschädigung von Verletzten völlig neu konzipiert. Die Entschädigung von Verletzten aus den Straftaten stellt seit 01.07.2017 eine neue Aufgabe des Rechtspflegers an der Staatsanwaltschaft dar.

Herr Savini rechnet damit, dass der Mehraufwand für Rechtspfleger durch die neue Vermögensabschöpfung um 50 % steigen wird! Mehr Personal steht dafür derzeit noch nicht zur Verfügung.
Der Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft benötigt ein umfassendes Wissen und Spezialkenntnisse im Zwangsvollstreckungsrecht, im Sachen- und Schuldrecht sowie im Insolvenzrecht. Denn aufgrund der neuen Gesetzeslage kann und muss der Rechtspfleger auch bereits im Ermittlungsverfahren ein Insolvenzantrag stellen. „Der Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft muss über den Tellerrand hinaus schauen können“, denn ihm werden haftungsträchtige Aufgaben übertragen. Man muss nur mal bedenken, welche Folgen es hat, wenn der Rechtspfleger im Ermittlungsverfahren ein Insolvenzverfahren beantragt, dies dann auch eröffnet wird, der Beschuldigte jedoch am Ende freigesprochen wird…

„Wie beschlagnahme ich ein Rennpferd?“, „Gehe ich mit zur Durchsuchung?“ oder „Wie beschlagnahme ich einen Ferrari und was mache ich damit?“ Das sind Fragen, die einen Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft durchaus beschäftigen können. Bei einem Verfahren der Staatsanwaltschaft München seien 82 Fahrzeuge gesichert wurden - Was macht man damit?

Der Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft übernimmt eine aktive Rolle in der Entschädigung von Verletzten. Er muss die beschlagnahmten Gegenstände verwalten und an die Verletzten verteilen. Man unterscheidet in 3 Entschädigungsverfahren, die Herausgabe, Rückübertragung oder Erlösverteilung. Bei der Erlösverteilung findet kein Windhundrennen mehr statt. Die Auszahlung des Erlöses findet nur statt, wenn alle Verletzten zu 100 % befriedigt werden können. Anderenfalls liegt ein Mangelfall vor und die Stellung eines Insolvenzantrages ist zu prüfen – und das alles durch den Rechtspfleger!

Ein absolutes Novum der Gesetzesänderung stellt das Vollstreckungsverbot nach § 111 h StPO dar. Demnach sind weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an bereits gesicherten Gegenständen oder Forderungen nicht zulässig!

Auch neu ist die selbstständige Einziehung, nach der Staat auch ohne Tat oder Täter Vermögenswerte einziehen kann, sofern dazu auszugehen ist, dass diese aus kriminellen Handlungen stammt.

Zusammenfassend kann in den Worten von Herrn Savini festgehalten werden: „Der Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft muss deutlich besser honoriert werden!“

Nach der Mittagspause begann die 23. Diplomierungsfeier des Einstellungsjahrganges 2013. Insgesamt haben sich 23 Studierende (alle 22 Absolventen und 1 Wiederholer) für das Diplomierungsverfahren angemeldet, 18 Diplomarbeiten wurden abgegeben. In den bisher 25 Jahren der Hochschule Meißen wurden 592 Rechtspfleger diplomiert.

Die Eröffnung erfolgte durch Herrn Dr. Gojowczyk, der neben den lobenden Worten für die erbrachten Leistungen der Diplomanden dieses Mal auch seinen ausdrücklichen Dank an die Kollegen "an der Basis" richtete, welche meist mit viel Einsatz neben ihrer beruflichen Tätigkeit den Anwärtern in den Praxisphasen das "wahre" Berufsleben näher bringen.

Den Festvortrag unter dem Thema „Wandel der staatsanwaltschaftlichen Aufgabenbereiche – Chancen für Amtsanwälte?“ hielt Generalstaatsanwalt a.D. Klaus Fleischmann. Er wies daraufhin, dass der Wandel sich auf die bereits oben ausgeführten Bereiche – Amtsanwaltschaft sowie die Neuerungen in der Vermögensabschöpfung – bezieht. Dabei ließ er die Zuhörer an einigen seinen persönlichen beruflichen Erfahrungen teilhaben. Er versäumt es jedoch auch nicht klarzustellen, dass er sich mehr Mut bei der Umsetzung der Amtsanwaltschaft in Sachsen gewünscht habe. So würde bereits jetzt und auch zukünftig der Bedarf an zum Beispiel IT-Spezialisten steigen, um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen. Diese Chance wurde aus seiner Sicht derzeit nicht genutzt.

Die Ansprache der Diplomanten war in diesem Jahr etwas Besonderes, denn die Rede wurde von keinem der Diplomanten gehalten, sondern von 2 Damen des Abschlussjahrganges 2016, die Ihren Mitstudenten auf diese Weise eine Überraschung bereiten wollten.

Sie begannen die Rede mit einer Gedenkminute an Ihren verstorbenen Mitstudenten und ließen dann die 3 Jahre Studium Revue passieren. Dieser Jahrgang scheint ein besonderer gewesen zu sein, denn erstmals stand der Stuk unter der Leitung der Rechtspfleger.
Und sowohl Herr Roleder als auch Herr Hillig kommentierten dies mit den Worten "Ihr seid anders."

Anschließend erfolgte die Aushändigung der Diplomurkunden durch die Staatssekretärin des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz, Frau Andrea Franke, gemeinsam mit dem stellvertretenden Rektor der Hochschule Prof. Fritz Lang und dem Fachbereichsleiter des Fachbereichs Rechtspflege Herrn Dr. Gojowczyk.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete wie immer die Rede des Vorsitzenden des Verbandes Sächsischer Rechtspfleger, Lars Beyer. Seiner Meinung nach sei zumindest eines sicher: zwar nicht die Rente, aber: Die Diplomierten haben den richtigen Beruf gewählt.

Letztlich erfolgte die Ehrung der besten Diplomarbeit, die in diesem Jahr von Winnie Gierke mit dem Thema „Vollstreckungshilfeverkehr mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Rahmen freiheitsentziehender Sanktionen, ausgehende Ersuchen nach dem §§ 88 IRG“ geschrieben wurde.

Aber auch die anderen Themen wollen wir nicht vorenthalten:

Damit diese überwiegend praxisnahen Werke nicht nur zum Verstauben gefertigt wurden, scheuen Sie sich nicht, sich bei Interesse direkt an die Fachhochschule der Sächsischen Veraltung Meißen - Fachbereich Rechtspflege zu wenden.

Für eine gesunde Abwechslung der Veranstaltung wurde unter anderem durch die musikalische Umrahmung der Veranstaltung durch das Blechbläserquintett des Polizeiorchesters des Freistaates Sachsen gesorgt.

Beim abschließenden Sektempfang mit tollem Sonnenschein konnte man sich mit den Kollegen unterhalten und einen Erfahrungsaustausch führen.

Unser Verband war selbstverständlich auch wieder mit einem Informationsstand vor Ort vertreten. Hier fand mit Interessierten, Rechtspflegeranwärterinnen und Rechtspflegeranwärtern, den Kolleginnen und Kollegen sowie den Gästen ein reger Informationsaustausch statt. Es konnte sogar, dass ein oder andere Neumitglied gewonnen werden.

Seitens des Verbandes möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal beim Fachbereichsleiter Dr. Heiko Gojowczyk und seinem „Team" für die unkomplizierte Unterstützung und gute Organisation bedanken.

Tina Lange