Sachsen auf dem Weg zur Amtsanwaltschaft
Nach § 142 Abs. 1 Nr. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann das Amt der Staatsanwaltschaft in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehören, von Amtsanwälten ausgeübt werden.
Nach vielen Jahren der abwägenden Prüfung wurde im Jahr 2013 die grundlegende Entscheidung getroffen, nun auch in Sachsen die Amtsanwaltslaufbahn einzuführen.
Schlussendlich haben fiskalische Gründe und der Umstand, dass in den nächsten zehn Jahren ein großer Teil der sächsischen Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand eintreten, den Ausschlag gegeben. Neben vielen anderen Maßnahmen, soll über den Einsatz der Amtsanwälte eine gewisse personelle Kompensation bei den Staatsanwaltschaften erfolgen.
Damit wurde ein seit vielen Jahren bestehender Wunsch des Berufsverbandes der sächsischen Rechtspfleger erfüllt, denn die Einführung der Amtsanwaltslaufbahn eröffnet ein zusätzliches Tätigkeitsspektrum und gibt neben der "Verwaltungsschiene" eine, auch besoldungsmäßig, attraktive Entwicklungsmöglichkeit für die sächsischen Rechtspfleger.
Zukünftig werden somit die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben in fünfzehn von sechzehn Bundesländern nicht nur von Staatsanwälten, sondern auch von Amtsanwälten wahrgenommen. Lediglich der Freistaat Bayern hat sich vor vielen Jahren entschieden keine Amtsanwälte mehr an Staatsanwaltschaften einzusetzen.
Unter Berücksichtigung einer recht umfassenden Übertragung von Aufgaben an die Amtsanwälte in den Katalogen der VwV OrgStA und ausgehend vom Geschäftsanfall des Jahres 2009 bei den sächsischen Staatsanwaltschaften geht das Sächsische Staatsministerium der Justiz von einem Personalbedarf für Amtsanwälte in Sachsen von bis zu 99 Amtsanwälten aus.
Das bedeutet, dass perspektivisch circa ein Drittel der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeiten von Amtsanwälten übernommen werden könnte. Es wurden zunächst die Ausbildung und der Einsatz von 34 Amtsanwälten innerhalb der nächsten zehn Jahre, also in dem Zeitraum von 2017 bis 2026, beschlossen.
Nach diesen grundlegenden Entscheidungen stand die konkrete Umsetzung an. Diese bedurfte zunächst vieler Änderungen und Neufassungen von Gesetzen und Verordnungen. Am 22. Juni 2016 hat der Sächsische Landtag per Gesetz dem Beitritt zum Staatsvertrag über den bundesweit gemeinsamen Studiengang für den Amtsanwaltsdienst zugestimmt. Das fachwissenschaftliche Studium aller zukünftigen Amtsanwälte im Bundesgebiet führt seit vielen Jahren das Land Nordrhein-Westfalen an der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel durch. Außerdem bedurfte es natürlich einer Sächsischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Amtsanwälte. Die SächsAPOAA trat am 3. August 2016 in Kraft und zugleich wurden Ende August die ersten beiden Stellen zur Ausbildung zur Amtsanwältin / zum Amtsanwalt ausgeschrieben. Und dann ging es Schlag auf Schlag – die ersten Bewerbungen, die ersten Auswahlgespräche, die ersten Zulassungen und am 2. Januar 2017 traten wir das Studium an der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel an.
Es standen uns nun vier Monate des ersten fachwissenschaftlichen Studienabschnittes bevor. Die Fachhochschule in Bad Münstereifel führt die Amtsanwaltsausbildung jedes Jahr durch und kann daher auf sehr routinierte und professionelle Abläufe und Dozenten zurückgreifen. Untergebracht ist man im Studentenwohnheim direkt auf dem Gelände der Fachhochschule inklusive Mensa. Außer uns zwei Sachsen waren dieses Jahr Rechtspfleger aus Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und natürlich Nordrhein-Westfalen zum Amtsanwaltsstudium zugelassen. Unser Alltag bestand dort aus Strafrecht, Strafprozessrecht, Verkehrsstrafrecht, Vorlesungen und Lernen.
Die Fachhochschule bietet den Amtsanwaltsanwärtern neben den Vorlesungen auch einige praktische Zusatzveranstaltungen, so zum Beispiel eine Schulung der Dekra in Bonn zur "Bemerkbarkeit von Kleinkollisionen" bei Kraftfahrzeugen. Das klingt zunächst trocken, war aber sehr praktisch dargestellt, denn uns wurden zwei schrottreife Autos zur Verfügung gestellt, mit denen wir Unfälle selbst inszenieren konnten (um zu testen, ob sie bemerkbar wären). Auch sehr anschaulich, war ein Vortrag eines Pathologen zum Thema "Alkohol im Straßenverkehr" gestaltet. Abgerundet wurde der theoretische Teil mit einer bemerkenswerten Trinktestselbsterfahrung unter Einsatz eines Alkoholtestgerätes. Bemerkenswert insofern, als dass der Test uns allen die Erkenntnis brachte, dass man sich betrunkener fühlt, als man wohl tatsächlich ist, dass aber keiner von uns mehr ins Auto gestiegen wäre.
Am 28. April 2017 hieß es dann schon wieder Koffer packen und heimfahren. Nächstes Jahr im Februar und März trifft sich unsere Studiengruppe zum zweiten fachwissenschaftlichen Studienabschnitt in Bad Münstereifel wieder, vor allem um dann Ende März die vier Examensklausuren zu schreiben.
Am 2. Mai 2017 begann sodann der neunmonatige fachpraktische Studienteil, den wir alle in unseren jeweiligen Heimatbundesländern absolvieren. Aber wie sollte der praktische Studienteil in der Praxis tatsächlich aussehen? Das war und ist eine Herausforderung vor der vor allem die Staatsanwaltschaft Chemnitz steht, denn sie ist die Ausbildungsstaatsanwaltschaft für die Amtsanwaltsanwärter in Sachsen.
Da wir die ersten beiden Amtsanwaltsanwärter sind, kann hier natürlich auf nichts Bestehendes zurückgegriffen werden. Es ist auch für die Staatsanwälte und unsere Ausbilder, die den fachpraktischen Studienteil gestalten, alles neu. Dank des hohen Engagements und des couragierten Einsatzes aller, fühlen wir Zwei uns jedoch angekommen und gut aufgehoben.
Die geänderte VwV OrgStA, die nun auch das Tätigkeitsfeld der Amtsanwälte in Sachsen regelt, wurde kurz vor unserem Eintreffen, Veröffentlichung am 30. April 2017 und Inkrafttreten am 1. Mai 2017, geändert. Wir erledigen neben Verfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, Trunkenheit im Verkehr und Unerlaubtem Entfernen vom Unfallort auch alle anderen allgemeinen Strafsachen wie Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, Hehlerei, Beleidigung, Leistungserschleichung, Nötigung – es ist alles dabei. Genau wie unsere staatsanwaltlichen Kollegen bearbeiten wir die Ermittlungsverfahren, indem wir Strafbefehlsanträge, Anklagen und aber natürlich auch Einstellungen erstellen. Und das Spannendste – wir gehen natürlich auch in die Hauptverhandlungen als Sitzungsvertreter stellen Anträge und halten an deren Ende ein Schlussplädoyer.
Zurzeit fällt uns, als den ersten beiden sächsischen Amtsanwaltsänwärtern, auch immer wieder eine gewisse Aufklärungsarbeit zu - was und wer wir sind und was wir machen erklären wir der Polizei, den Rechtspflegerkollegen, den Rechtsanwälten in den Verhandlungen, den Richtern usw. Es ist jedoch eine schöne Herausforderung als Erste an dem Einführungsprozess der Amtsanwaltschaft in Sachsen beteiligt sein zu dürfen und wir freuen uns natürlich, dass sich Sachsen nun auf dem Weg zur Amtsanwaltschaft befindet.
Und bestimmt trägt auch der diesjährige Tag der Rechtspflege an der Hochschule Meißen (FH) am 27. September 2017 mit dem Thema „Neues zum Rechtspfleger an der Staatsanwaltschaft", das die Einführung der Amtsanwaltslaufbahn beinhaltet, dazu bei, die Amtsanwaltschaft in Sachsen weiter publik zu machen.
Katrin Sontag und Paul Gräfe